The early bird catches the worm... denken wir uns heute auch. Deswegen stehen wir früh auf (was uns immer noch nicht schwer fällt), satteln den Jeep, nehmen dieses Mal einen Pullover mehr mit und fahren noch vor 5 Uhr in Richtung Yosemite Nationalpark.
Unser erstes Ziel ist der Tunnel View. Hier wollen wir uns den Sonnenaufgang anschauen. Die Sonne geht heute um 6.10 Uhr auf, daher auch der frühe Tagesstart, und ca. 20-30 Minuten später sollte die Sonne es über den Half Dome geschafft haben.
Mit uns sind schon zahlreiche Fotografen vor Ort, alle recht dick eingepackt, denn ohne Sonne ist es noch kühl; jeder Zweite knabbert an einem Brot (wir auch) und dann schauen wir alle versonnen ins Tal, zücken regelmäßig Kamera und Handy und warten auf den Sonnenaufgang. Herrlich.
Links El Capitan, in der Mitte Clouds Rest und der Half Dome, rechts dann Cathedral Rock und der Bridalveil Fall und langsam färbt sich der Himmel gelb-orange. Und dann brechen die ersten Sonnenstrahlen ins Tal und schlagartig wird es am Aussichtspunkt wärmer. Das frühe Aufstehen hat sich gelohnt.
Es ist noch vor 7 Uhr und wir fahren noch einmal zum Parkplatz in Curry Village, auf dem wir auch gestern geparkt haben. Heute schlagen wir aber nicht den Weg zu den Wasserfällen ein, sondern laufen den Mirror Lake Loop. Wir haben uns die letzten Tage gut angestrengt und der Mirror Lake Loop ist nur 8 km lang und soll easy bis moderate eingestuft sein. Klingt also eher nach einem entspannten Spaziergang.
Zunächst geht es am Tenaya Creek eine Weile entlang, ein bisschen aufwärts, ein bisschen abwärts, aber nicht so, dass man ins Schwitzen gerät. Die Sonne hat es hier noch nicht über die steilen Felswände geschafft, sodass wir im Schatten laufen.
Unangestrengt erreichen wir den Mirror Lake. Dieser ist eigentlich kein "abgeschlossener" See, sondern eine breitere Stelle des Tenaya Creek, in dem etliche Totholzbäume liegen. Dadurch ist das Wasser stellenweise so ruhig, dass sich die umliegenden Berge darin spiegeln.
Vom Mirror Lake aus geht es weiter am Tenaya Creek entlang, später über eine Brücke auf die andere Seite und dort wieder zurück zum Ausgangspunkt.
Nach einigen Minuten wird der Wanderweg insgesamt matschiger, weil das Schmelzwasser aus den Felsen Richtung Tenaya Creek läuft. Zunächst balancieren wir an diesen überfluteten Stellen noch über Steine und umgestürzte kleinere Bäume, dann stehen wir vor einem "Fluss". Balancieren? Keine Chance. Das Ende der "Pfütze" ist in der Ferne nicht zu sehen.
Es gibt jetzt 2 Möglichkeiten: Schuhe aus und knietief im eiskalten Wasser auf unbestimmte Länge waten oder eine alternative Route am Rand über die Felsen suchen. Angesichts der Wassertemperaturen entscheiden wir uns für die Kletterpartie.
Es geht über Felsen, unter umgestürzten Bäumen hindurch und über Totholz hinweg. Wir versuchen, Spuren von vorherigen Wanderern zu entdecken, um den besten (einfachsten und ungefährlichsten) Weg zu finden. Immerhin können wir uns nicht verlaufen. Der Creek verschwindet zwar von Zeit zu Zeit aus unserem Blickfeld und wir vermissen etwas Orientierung, aber auf der rechten Seite von uns verläuft eine Felswand. Die reicht, um in der Spur zu bleiben. Gut 20 Minuten geht es teilweise auf allen Vieren voran, dann finden wir den Creek wieder und sehen, wo der Wanderweg trocken weitergeht. So lange hätte ich es im eiskalten Wasser sicher nicht ausgehalten, zumal man auf einem steinigen Flussbett ja ohnehin recht langsam und vorsichtig laufen muss.
Ob es Spaß gemacht hat? Na klar! Nachdem wir wieder trockenen und ebenen Boden unter den Füßen haben, geht es weiter. Bis wir kurze Zeit später wieder vor einer überfluteten Fläche stehen. Dieses Mal ist das Ende aber erkennbar und es fehlt eine alternative Route. Jetzt müssen wir ins Wasser, also Schuhe aus und rein ins eisige Nass!
An einer sonnigen Stelle finden wir wieder zurück auf trockenen Boden, trocknen unsere Füße ab (gut, dass wir ein Handtuch dabei haben), schlüpfen in unsere warmen Wanderschuhe und bewältigen den Rest des Weges bis zur Brücke nun ohne weitere Unterbrechungen.
Laut Wanderkarte geht es nun auf der anderen Seite am Tenaya Creek wieder zurück. Oder wir machen einen kurzen Abstecher zum Snow Creek. Wir klettern nun wieder in Serpentinen den Weg hoch, heute aber komplett im Wasser. Das Wasser aus den Bergen bahnt sich jede erdenkliche Spur. Der ausgetretene Wanderweg lädt dazu natürlich ein. Aber auch links und rechts des Weges rauschen kleine Rinnsale Richtung Creek. Wir hüpfen wieder von Stein zu Stein und drehen irgendwann um. Weniger Wasser wird es hier oben nicht. Also zurück auf den Loop.
Unterwegs legen wir noch eine kleine Mittagspause auf einem Felsen ein und gucken uns bei jedem Knacken im Wald um. Wir sind noch immer im Bärengebiet und ich denke, unsere Käsebrote riechen sicher gut. Wir haben aber Glück und können unser Brot allein essen.
Wir kommen wieder am Mirror Lake an, dieses Mal auf der anderen Seite und vollenden dann den Loop.
Geschafft. Unsere letzte Wanderung im Yosemite Nationalpark ist vollendet, wir sind trotz einiger Kletterpartien beide heil angekommen und genießen - mal wieder - das Gefühl, die Wanderschuhe loszuwerden und in bequeme Sportschuhe zu schlüpfen. Wir fahren noch ein letztes Mal durchs Yosemite Valley und stoppen am Valley View. Mit diesem Blick ins Tal verabschieden wir uns aus dem Park.
Auf dem Weg aus dem Park legen wir nun wirklich den letzten Stopp am Cascade Fall ein. Kaum zu glauben, dass dieser rauschende Wasserfall im Sommer zu einem kleinen Rinnsal mutiert.
Nun haben wir den Feierabend eingeläutet, ich trinke ein Half Dome Weizen aus der Tioga Sequoia Brauerei und Gunnar schaut den NFL-Draft. Wir haben uns nach einiger Recherche entschieden, unsere nächste Unterkunft in der Nähe des Sequoia Nationalparks zu stornieren. Der Sequoia Nationalpark ist nach dem Winter und den außergewöhnlichen Schneemassen noch immer größtenteils gesperrt, die Riesenbäume sind nicht zugänglich und auch im Kings Canyon Nationalpark ist nur ein kleiner Teil überhaupt für Besucher freigegeben.
Stattdessen haben wir jetzt 3 Nächte in der Nähe von Santa Barbara gebucht und fahren somit morgen schon Richtung Küste und Highway 1. Am Ende wird alles gut. Der Spruch mit dem frühen Vogel hat sich heute schließlich auch bewahrheitet.
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