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Ein Canyon für 2 Personen

Über Nacht ist es ziemlich kalt geworden. Gestern Abend ging der Schnee bei Plusgraden wieder in Regen über und die Straßen waren matschig. Nun ist dieser Matsch über Nacht gefroren und hat dicke Eispanzer auf Straßen und Wegen hinterlassen.

 

Nach dem obligatorischen Frühstück im Hotel kratzt Gunnar den Wagen frei, ich platziere Elchi an der Frontscheibe und dann geht es los. Wir wollen heute zum Johnston Canyon. Wir verlassen Banff in westlicher Richtung und fahren auf den Trans-Canada-Highway Richtung Lake Louise. Der Johnston Canyon ist ausgeschildert, aber als wir die Abfahrt vom Trans-Canada-Highway nehmen, ist die Straße Bow Valley Parkway, die wir bis zum Canyon fahren wollen, durch eine Schranke gesperrt. 

Jetzt müssen wir improvisieren. Wir hatten im Internet von etlichen Straßensperrungen gelesen, aber diese auf dem Bow Valley Parkway war nicht dabei. Wir entscheiden uns, den Trans-Canada-Highway weiter westwärts zu fahren. Vielleicht kommen wir bis zum Lake Louise?

 

Aber nach einigen Kilometern kommt die nächste Anzeige. Der Trans-Canada-Highway ist witterungsbedingt gesperrt, ebenso der Icefields Parkway. Wir sind irgendwie eingeschneit über Nacht und noch sind die Straßen nicht vom Schnee befreit. Wir müssen die nächste Ausfahrt nehmen und wollen wenden. Als wir abfahren, sehen wir aber, dass der Bow Valley Parkway von dieser Seite aus befahrbar und der Johnston Canyon ausgeschildert ist. Also zurück zum ursprünglichen Plan. Die Straße ist dick eingeschneit, aber der Yukon mit Allradantrieb bewältigt die Strecke gut. Jetzt kommt sogar die Sonne durch die Wolken.

Auf dem Parkplatz am Johnston Canyon sind wir allein. Auch gut, wir wandern ja nicht gern durch Menschenmengen. Wir packen uns dick ein, denn das Thermometer am Auto zeigt -5 °C. 

Ganz allein laufen wir den Weg am Johnston Creek entlang zu den Lower Falls. Der Weg ist überfroren, allerdings liegt über der Eisschicht noch eine dicke Schicht Schnee, sodass wir den Weg ohne Spikes gut bewältigen können. Nach rund einem Kilometer kommen die Lower Falls. Die Wände des Canyons sind teilweise mit Eiszapfen bedeckt. Märchenhaft.

Gestern hatte es ja ordentlich geschneit. So viel, dass einige Bäume unter der Last zusammengebrochen sind. Da wir heute die ersten Wanderer auf dem Trail sind, übernimmt Gunnar die Aufgabe, den Weg passierbar zu machen und befreit die umgestürzten Bäume von einigen Ästen, damit man besser drunter durchkriechen kann. 

Am Johnston Creek entlang geht es immer weiter bergauf und nach 2 weiteren Kilometern kommen wir zu den Upper Falls. Inzwischen blitzt immer mal wieder blauer Himmel durch die Wolkendecke.

Hinter den Upper Falls führt ein Wanderweg zu den Ink Pots; Quellen, die auch im Winter nicht zufrieren. Sie scheinen ein gutes Ziel zu sein, also wandern wir weiter. Und wandern und wandern und wandern. Natürlich bergauf. Eigentlich soll das Ziel nur 2,7 km hinter den Upper Falls liegen, aber als wir - zumindest laut Apple Health - insgesamt über 7 km gelaufen sind - davon mindestens 6 km bergauf und noch immer keine Ink Pots in Sicht sind, entscheiden wir uns zur Umkehr. Das Wandern im überfrorenen Tiefschnee ist anstrengend, auch wenn gestern 2 andere Menschen den Weg gewandert sind und wir ihre Spuren im Schnee nutzen können. Aber auch diese beiden Spuren hören irgendwann auf. Vermutlich ging es diesen beiden Wanderern wie uns. Sie fanden die Ink Pots einfach nicht. Das tut dem Spaß aber keinen Abbruch. Wir hatten den ganzen Wanderweg nur für uns und haben die Einsamkeit im kanadischen Winterwald genossen.

Nach fast 14 km kommen wir wieder am Parkplatz an. Wir fahren den Bow Valley Parkway wieder in Richtung Trans-Canada-Highway zurück und bewundern die verschneite Landschaft. An der Stelle, an der wir am Morgen abgebogen sind, stehen jetzt etliche LKW. Wer die Sperrungen umfahren will und alternativ den Highway Richtung Kootenay Nationalpark nehmen möchte, muss Schneeketten anlegen. Die LKW-Fahrer haben somit alle Hände voll zu tun. 

Auf dem Trans-Canada-Highway fahren wir zurück Richtung Banff. Wir legen noch einen kleinen Fotostopp bei den First und Second Vermilion Lakes ein und beobachten, wie sich die Sonne durch die Wolken über den Bergen kämpft.

Zurück in Banff gibt es Kaffee und frische, warme Zimtröllchen für uns. Auf dem Weg zum Hotel treffen wir auf einige Maultierhirsche, die im Garten des Nachbarhotels ihr Unwesen treiben. Sie sind nicht scheu und bereit für ein Selfie.

Abendessen gibt es heute in der "Three Bears Brewery", einer kleinen lokalen Brauerei mit angeschlossenem Restaurant. Einen Burger für Gunnar, einen "Röstblumenkohl" für mich. Beides sehr lecker. Auf dem Heimweg stellen wir fest, dass es noch einmal deutlich kälter geworden ist als tagsüber. Morgen früh sollen es hier -14 Grad werden. Uns fröstelt es schon beim Gedanken daran.